Meine Freundin und ich hosten ja von Zeit zu Zeit bei uns zu Hause Gäste, und dieses Mal hatten wir einen ganz besonderen Besucher:
Carrie aus Taiwan. Sie gehört einer (noch!) seltenen Gattung an, und zwar dem Ruhrgebiets–Touristen. Tatsächlich hat sie auf ihrer Europa–Rundreise extra hier halt gemacht, um a) das Tetraeder in Bottrop und b) das Ruhr Museum in Essen zu besuchen.
Auf unsere Empfehlung hin hat sie ebenfalls halt gemacht in unseren favorisierten POTTSPOTTs in Essen und bei Habibiz Falafel gegessen, bei Sweet Coffee Pirates den famosen Apfel–Mohnkuchen gefuttert und sich das Café LIVRES (unser Video hierzu, entstanden gemeinsam mit den Gourmetgeeks, wird bald fertig!) ebenfalls nicht entgehen lassen.
Zum Abschied haben wir sogar noch Geschenke bekommen!
Ihr Fazit: Das Ruhrgebiet ist ,,amazing" und weitaus spannender & schöner als Berlin und England (sehen wir natürlich genauso!).
,,I'm totally fall in love with Ruhr..."
Schaut Euch ihren Instagram–Stream an. Gerne auch unseren Instagram–Stream.
ESSEN: Sweet Coffee Pirates
Bis zur Vollendung meines 30. Lebensjahres habe ich Kaffee GEHASST – selbst den übersüssesten Eiskaffee bekam ich kaum herunter. In den letzten 1, 2 Jahren aber hat sich das alles radikal verändert – mittlerweile liebe ich Kaffee in all seinen Formen und trinke jeden Tag eine durchaus respektable Menge, am Liebsten Cappuccino (ohne Zucker) oder Handgefilterten.
Fast jeder heutige Kaffeeliebhaber hat einmal angefangen mit Supermarktkaffees. Schnell aber lernst Du, dass diese in der Szene einen sehr schlechten Ruf besitzen – industrielle Massenproduktion ohne Rücksicht auf eine schonende Röstung & somit das Bewahren der Aromen, häufig schlechte Produktionsbedingungen auf den Plantagen und Lebensbedingungen der Erntehelfer und Kaffeebauern und letztlich auch viel zu lange Lagerzeiten des fertigen Kaffees im Supermarktregal. Zwar ist dieser relativ lange haltbar, aber nur für einen relativ kurzen Zeitraum nach Röstung wirklich empfehlenswert.
Die Lösung dieses Problems liegt im sog. „Third Wave Coffee“:
• 1930 – 1960 fand die 1. Welle statt, eine Phase, in der Kaffee durch die Verbreitung in Supermärkten, abgepackt und gemahlen, für Jedermann erschwinglich wurde,
• 1960 – 2000 (in einigen Läden bis heute andauernd) dann die 2. Welle, der „Coffee to go“, künstliche Kaffee–Mix–Getränke mit Sirup, viel Zucker und eigentlich wenig (gutem) Kaffee,
• ab ca. 2000 dann langsam die 3. Welle: Qualitätskaffee mit seinen unzähligen hochkomplexen Aromen im Mittelpunkt, schonend von Hand geröstet, faire, nicht–industrielle Produktionsbedingungen, genussvolles Trinken.
Der deutsche Markt wird bis heute von 3 Großröstern dominiert; abgesehen von Hot Spots wie Berlin und Hamburg besitzt Third Wave Coffee bei uns noch einen kleinen Rückstand gegenüber anderen Ländern – momentan ändert sich aber viel, und bei vielen Kaffeetrinkern wächst mittlerweile das Qualitätsbewusstsein.
Es ist ein Unterschied, ob ein Kaffee auf riesigen Plantagen von Maschinen geerntet wird – ganz gleich, ob die Kaffeebohne a) überreif oder b) noch unreif ist (am Ende wird dann alles zusammengeworfen und durch eine intensive Röstung glattgebügelt), oder aber ob die Kaffeebohnen liebevoll von Hand geerntet werden, über Tage und Wochen hinweg, immer nur die wirklich reifen Bohnen, und diese dann schonen und mit viel Liebe und Erfahrung von Hand geröstet werden.
Puh, was für eine Einleitung!
Im Ruhrgebiet jedenfalls gibt es bisher ein sehr überschaubares Angebot an Third Wave – Röstern: NEUES SCHWARZ in Dortmund (wir berichteten schon mehrfach), und eben Sweet Coffee Pirates in Essen.
Zwar gibt es noch einige andere Röstereien, diese würde ich aber nur bedingt als Third Wave bezeichnen – Röstereien, wo die gerösteten Bohnen teils Tage & Wochen in riesigen Spendern lagern und dann an die Käufer ohne Versiegelung in quasi offenen Tütchen verkauft werden, alles in etwas altbackenem Ambiente.
Tatsächlich ist es so, dass möglichst unmittelbar nach der Röstung der Kaffee verpackt werden sollte, in spezielle Beutel mit Aroma–Ventil. Der frisch geröstete Kaffee gast in der Regel aus, und durch das Ventil können diese Gase entweichen, aber kein Sauerstoff eindringen. Eine prall gefüllte Tüte mit Kaffeebohnen ist also ein sehr gutes Zeichen für die Frische! Achtet auf das Aroma–Ventil, und sowieso sollte immer unmittelbar vor dem Blühvorgang frisch gemahlen werden (günstig und gut möglich z.B. mit der Hario MSS-1B Mini Mill).
Sweet Coffee Pirates befindet sich in Essen–Rüttenscheid, am untersten Ende der Rü – und stellt für uns den Hauptgrund dar, diesen Teil Rüttenscheid zu besuchen. Der Laden verfügt über ein sympathisch–gemütliches Innenleben, unterteilt in 2 Teile: Den Theken– und kleinen Sitzbereich, 1 Tür weiter die eigentliche Rösterei – dort finden auch Barista–Anfängerkurse statt – mit einem größeren Sitzbereich und kleinem Shop für Kaffeezubehör und eben die Kaffeebohnen.
Im Angebot sind ca. 10 verschiedene Röstungen unterschiedlicher Herkunft (Indien, Ruanda, Nicaragua uvm.) für verschiedene Zubereitungsarten (z.B. Siebträgermaschine, Handfilter oder AeroPress, French Press). Am Beliebtesten dürfte die Heimathafen Mischung sein. Ich werde zu Hause als nächstes den ACHTZIG ZWANZIG in der Mühle haben, mit 80% Robusta–Anteil und dadurch sehr schöner Crema im Siebträger (und hohem Koffeingehalt).
Abgerundet wird das Angebot durch wirklich SEHR LECKERE (!) hausgemachte Kuchen und Crumbles – der Carrot Cake ist mein Liebling, und meine Freundin Rayna liebt die Crumbles. Außerdem gibt es köstliches Rührei, vielfältiges und mit Liebe zubereitetes Frühstück und immerzu superliebe MitarbeiterInnen.
Das Publikum ist angenehm gemischt und besteht aus wirklich jeder Altersgruppe.
Im Vergleich zu NEUES SCHWARZ kommt Sweet Coffee Pirates etwas gemütlicher daher; es ist fast mehr Café als Coffeeshop. Etwas schade ist, dass es keinen handgebrauten Filterkaffee gibt – immerhin aber kommt die, wie ich gelernt habe, einzig brauchbare Kaffeemaschine für Filterkaffee zum Einsatz, der Moccamaster aus niederländischer Produktion.
Die Espressi & Cappuccino entstehen mit einer wunderbaren Vintage – La Marzocco.
Zu guter Letzt: Die Kaffeebohnen (auf Wunsch wird auch gemahlen) besitzen ein extrem faires Preisniveau! Tatsächlich ist mir keine günstigere Third Wave – Rösterei in ganz Deutschland bekannt. Du bekommst 250 g ab € 5,90.
Wir sind gerne dort! ☺
- Sweet Coffee Pirates, Rüttenscheider Str. 218, 45131 Essen
- www.sweetcoffeepirates.com
- Öffnungszeiten: DI–SA von 09–18 Uhr und SO von 10–18 Uhr (Café; angrenzende Kaffeerösterei leicht abweichend)
- Text und Fotos: Sebastian Becker