Das Ruhrgebiet mag in Deutschland nicht den besten Ruf genießen (wir haben schon oft im persönlichen Umfeld Überzeugungsarbeit leisten müssen), und wiederum innerhalb des Ruhrgebiets genießt Duisburg nicht den allerbesten Ruf.
Ganz klar, die Stadt hat Ihre Probleme und wurde in vielen Bereichen in den letzten Jahren von den Verantwortlichen vernachlässigt. Berühmt als Drehort vieler Schimanskis, drohte und droht Duisburg mehr und mehr seinen individuellen Charme zu verlieren – denkmalgeschützte Stadtteile wurden mit dem Bulldozer wegplaniert, fast ikonographische Hochöfen abgerissen.
Und doch: Duisburg ist noch immer ein ganz besonderer Ort, auch innerhalb des Ruhrgebiets. Hier gibt es nicht nur Industriekultur wie in Essen oder Dortmund, sondern ECHTE Industrie. Das, was das Ruhrgebiet früher von Ost bis West ausmachte, ist hier – jedenfalls teilweise – noch zu erleben.
Der Wandel hat aber auch vor Duisburg nicht halt gemacht: So lässt sich mittlerweile einer der besten veganen Burger Deutschlands genau hier genießen! Dann die ,,Brautmeile" von überregionaler Berühmtheit in Duisburg–Marxloh, ein lebhaftes Studentenviertel (Neudorf), und zwischen all dem viele grüne Oasen!
Hier ist unsere Top 10 für einen großartigen Tag in... Duisburg:
1. Ein Besuch in einem der besten Parks der Welt (und einem weiteren, der auch ziemlich großartig ist!)
Der Landschaftspark Duisburg–Nord ist überregional bekannt: Ein imposantes Hüttenwerk, stillgelegt in den 1980er Jahren und Mitte der 90er im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park geöffnet für die Öffentlichkeit.
In 2015 listete der britische Guardian den Landschaftspark Duisburg–Nord unter die 10 schönsten Parkanlagen weltweit.
Unzählige Male bin ich dort gewesen, habe Hochzeiten fotografiert, romantische Dates gehabt – bis heute ein magischer Ort. Es lohnt sich, den Kernbereich zu verlassen und die umliegende Natur mit ihren kleinen industriellen Spuren zu erkunden, z.B. die ,,Wildnis".
Bei Nacht erstrahlt die Lichtinstallation von Jonathan Park, die bis heute besonders viele Hobby–Fotografen anzieht. Ein Muss ist ebenfalls ein Aufstieg auf Hochofen 5 – was für eine Aussicht über den Ruhrpott!
Wir haben aber auch Kritik: Neue Besucher sind häufig überwältigt von der Anlage. Duisburg–Insider spüren und sehen aber, dass der Park über die Jahre schwindet. Hier wird ein Dach abgerissen, dort ein Rohr entfernt, hier ein Kran saniert (mit bleibender Demontage quasi aller Anbau–Elemente) – über die Jahre verlor der Park so einen guten Teil seiner Authentizität und visuellen Komplexität. Man nimmt es mit dem musealen Anspruch nicht allzu genau, und das ist wirklich schade. Gleiches gilt für die Beleuchtung: Seit Umstellung auf LEDs vor einigen Jahren ist sie weit weniger umfangreich und auch ,,kälter". Also besser noch heute besuchen – wer weiß, welches Teil morgen schon fehlt?
2. Kaffee und Kuchen (und Haarschnitt?) im Café GLÜCK
Das Café GLÜCK, betrieben von der sympathischen Birgit, war quasi das 1. entspannte Café in ganz Duisburg. Mittlerweile hat es zwar ein Bisschen Konkurrenz bekommen (Café Engelbert, Simply Coffee, ...), aber es ist nach wie vor einer unserer absoluten Lieblings–SPOTTs in der gesamten Stadt. Leider bin ich als Wahl–Essener aktuell nur noch selten dort. Hier gibt es großartiges Frühstück und – vor allem! – extrem leckeren, hausgemachten Kuchen. *Seufz!* Haben wir zwar noch nie machen lassen, ABER man kann sich hier auch die Haare schneiden lassen (oder dabei zuschauen, mit Kaffee und Kuchen).
3. Ein ausgedehnter Spaziergang im Innenhafen
Unweit der Duisburger Innenstadt erstreckt sich der Innenhafen, DER Ort in Duisburg zum Ausgehen und Flanieren, oder auch einfach nur für einen gemütlichen Sonntagsspaziergang mit der Familie. Hier finden sich Museen wie die Küppersmühle oder das explorado Kindermuseum, der Garten der Erinnerung mit der architektonisch gelungenen Duisburger Synagoge und mit dem Schwanentor auch eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Am Bekanntesten aber ist der Innenhafen wohl aber für sein gastronomisches Angebot, das (leider, unserer Meinung nach) eher geprägt ist von Ketten und Systemgastronomie. Aber ab und zu kann man dort ja auch mal essen.
Im Bild zu sehen: Ein Detail des Landesarchivs Nordrhein–Westfalen.
4. Eine Entdeckungstour durch den Duisburger Norden mit Marxloh und Bruckhausen
Das ECHTE Duisburg, nein, das ECHTE Ruhrgebiet, das findet sich nicht in Essen auf Zeche Zollverein, sondern im Duisburger Norden. Lasst Euch nicht von ,,No Go–Area"–Bullshit abhalten und erkundet Marxloh und (die Reste von, leider!) Bruckhausen auf eigene Faust.
Belohnt werdet Ihr mit dem vielleicht letzten Stück echten Ruhrgebiets (gut, ein Bisschen davon findet sich vielleicht auch noch in Bottrop, ich geb's zu). Rauchende Schlote, Hochöfen, eben der Klang, der Generationen von Ruhrpottlern begleitet hat – hier ertönt er noch.
Schlendert über die Brautmeile in Duisburg–Marxloh, kehrt ein in das für uns beste türkische Schnellrestaurant Duisburgs (way beyond Döner!), Ali Baba, und das zu sehr fairen Preisen. Bewundert Baukultur an der berühmten Pollmann Ecke, wo ein Hauch von Gotham City weht (mit viel Phantasie).
Eine große, aber empfehlenswerte Runde zu Fuß: Von der Haltestelle Beeck Denkmal entlang der Straßenbahnlinie 901 bis zur Pollmann Ecke in Duisburg–Marxloh, von dort über die Weseler Str. in Richtung Walsum. Kleiner Abstecher über die Warbruckstr. zur imposanten Moschee, und wieder zurück zur Kreuzung und über die Wiesenstr., vorbei am Schwelgernstadion, die Alsumer Straße (hier ist ein kleiner Abstecher zum Rheinufer möglich) und somit entlang einer der beeindruckendsten Industriekulissen Europas zurück nach Duisburg–Beck (ca. 2,5–3 Stunden bei gemütlichem Gang).
5. Sich einen Überblick verschaffen von einem der vielen Aussichtspunkte
Einer meiner persönlichen Favoriten – einfach auf eines der (oftmals relativ leeren, zumindest auf den oberen Decks) Parkhäuser in der Innenstadt klettern und die Aussicht genießen auf Innenstadt, den oft gut sichtbaren Hafen in Ruhrort und die Schwerindustrie im hohen Norden und tiefen Süden der Stadt. Meiner Meinung nach bietet keine andere Ruhrgebietsstadt (außer vielleicht Bottrop, okay!) so spannende Ausblicke.
Hier ein paar tolle Aussichts–SPOTTs:
Alsumer Berg (siehe: 4.)
Hochofen 5 im Landschaftspark Duisburg–Nord
Tiger and Turtle – Magic Mountain (Duisburger Süden)
Der Aussichtsturm auf dem Wolfsberg im Naherholungsgebiet Sechs–Seen–Platte
Parkhaus Duisburg Hbf
Im Bild zu sehen: Parkhaus City.
6. Kunst konsumieren in Museen von (beinahe, zumindest!) Weltruf
Duisburg hat wirklich tolle Museen im Angebot, mit Meisterwerken von Andy Warhol, Gerhard Richter & Co.! Vor allem das LehmbruckMuseum im Kantpark und das bereits erwähnte Museum Küppersmühle im Innenhafen sind nicht nur für eingefleischte Kunstliebhaber einen Besuch Wert.
Mit Familie bietet sich das wunderbare explorado Kindermuseum an.
7. Den vielleicht besten veganen Burger Deutschlands ist der Krümelküche verdrücken
Wir sind zwar keine Vegetarier und / oder Veganer, für die Krümelküche machen wir aber regelmäßig eine Ausnahme – der vegane Burger dort ist einfach zu lecker! Und erst die Wedges mit der hausgemachten Mayonnaise. Dazu der mega–sympathische Chef und tolle Mitarbeiter, gepaart mit einer unglaublichen Wohlfühlatmosphäre. Nicht in geringem Maße ist es der Krümelküche zu verdanken, dass sich Hochfeld mehr und mehr zu Duisburgs Szene–Distrikt entwickelt. Mittlerweile gibt es in unmittelbarer Nähe (= nur erreichbar über die Krümelküche selbst) emma & maille, einen Laden für liebevoll Hand– und Selbstgemachtes und Upcycling–Fundstücke – wir berichten in Kürze!
8. Kunst in der U–Bahn!
Zwar verfügt Duisburg ,,nur" über 7 U–Bahn–Stationen (wobei, eigentlich ist es gar keine offizielle U–Bahn, sondern eine Stadtbahn), aber diese sind besonders spannend gestaltet – die Wände in der Station König–Heinrich–Platz beispielsweise wurde von Deutschlands berühmtesten Künstler der Gegenwart, Gerhard Richter, gestaltet!
Im Bild zu sehen: Ein Zugang zur Station ,,Steinsche Gasse".
Einziger Nachteil: Die Stationen befinden sich heutzutage allesamt in einem eher schlechten Zustand, da kaum noch in Reinigung und Erhalt investiert wird (früher glänzten die Böden, heute sind die stumpf–schmutzig) – spannend ist aber dennoch!
9. Den berühmten Hafen auschecken
In meinen Kindertagen – lang, lang ist's her! – hieß es immer, dass der Duisburger Hafen der größte Binnenhafen der Welt sei. Beeindruckend, nicht wahr? In der Zwischenzeit wurde zwar das eine oder andere Hafenbecken zugeschüttet (schade!), und ebenfalls seit Kindertagen habe ich an keiner Hafenrundfahrt mehr teilgenommen (wird mal wieder Zeit!), aber dank Logport in Duisburg–Rheinhausen ist der Duisburger Hafen wieder ganz schön im Kommen.
Fotografisch bevorzuge ich den Ruhrorter Teil und war dort schon häufig unterwegs auf Fotostreifzügen. Wer dort nicht arbeitet, kennt das Gelände kaum – dabei sind viele Wege öffentlich, und selbst von Privatgeländen wird man nicht sofort verjagt. Es lohnt sich, mal ein paar Stunden Zeit einzuplanen und in einem echten, weitläufigen Hafengelände auf Entdeckungsreise zu gehen.
Im Bild: Pontwert unterhalb Berliner Brücke – für viele Fotografen einer der attraktivsten SPOTTs im gesamten Hafengelände.
10. Den Abend ausklingen lassen im Finkenkrug, der ultimativen Studenten–Kneipe mit min. 270 (!) Biersorten zur Auswahl
Mit der laut Eigenaussage ,,größten Bierauswahl Deutschland" (250 Flaschenbiere, 24 vom Fass) kann der Finkenkrug aufwarten, DIE Studentenkneipe schlechthin in Duisburg–Neudorf, unweit des Campus' der Uni Duisburg–Essen gelegen. Hip ist die Kneipe nicht – dafür aber gemütlich, ja, urig. Halbwegs leckere Burger gibt's auch, und das alles zu fairen Preisen. Und im Sommer lockt der schöne (aber relativ kleine, daher oft übervolle) Biergarten.
10 + 1. Der ,,Thirsty Thursday" bei kalt.weiss.trocken.
In der ursprünglichen Fassung war es tatsächlich ,,nur" eine Top 10, aber Janine legte Protest ein – zu Recht! Wir bzw. ich hatten doch glatt eine der spannendsten Locations überhaupt (!) in Duisburg vergessen: kalt.weiss.trocken., insbesondere die andauernde wöchentliche Veranstaltungsreihe ,,Thirsty Thursday" wo sich jene, die freitags nicht früh aus den Federn müssen, für einen Betrag nach Wahl (Spende) mit jeder Menge hochwertiger Weine betrinken können. Janine macht, gemeinsam mit ihrer Mutter – schließlich wohnen beide in der Nachbarschaft – regelmäßig Gebrauch davon.
Donnerstags eine sehr gute und sehr stilvolle Alternative zum Finkenkrug, um einen großartigen Tag in Duisburg ausklingen zu lassen!
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So, und jetzt – sozusagen zum Abschluss – noch ein wunderbares Baby–Foto von mir, irgendwann Mitte–Ende der 1980er Jahre, an ähnlicher Stelle wie das 1. Foto (Rheinhausen mit Blickrichtung Hochfeld) des Artikels.
So viel verändert hat sich also gar nicht. ☺
Text und Fotos: Sebastian Becker.