Julius betreibt mit Ruhrwohl den neben POTTSPOTT wohl besten Blog im und für das Ruhrgebiet. Dort finden sich auch (ich selbst kann ja überhaupt nicht kochen) auch gelungene Rezepte – könnte ich sie bloss nachkochen… Seufz! Für POTTSPOTT hat Julius nun einen umfangreichen Gastbeitrag verfasst und stellt Euch seine persönliche Top 5 für SEINE Heimatstadt – Bochum – vor. 5 wunderbare Spots, die einen großartigen Tag ,,tief im Westen” versprechen. ☺
Nach Bochum kommen Touristen hauptsächlich, um sich Starlight Express anzusehen. Und wenn sie schon einmal da sind, füllen sie die Zeit bis zum Beginn des Musicals mit einem Besuch des Deutschen Bergbaumuseums oder einer kurzen Shoppingtour durch die Fußgängerzone. Soweit, so okay.
Bochum anhand seiner Innenstadt zu beurteilen, wird der Stadt allerdings nicht gerecht. Denn die spannenderen Locations liegen fast alle nicht am Boulevard oder in der Kortumstraße, sondern im Ehrenfeld, dem Kortländer Kiez, Weitmar oder Querenburg. Hier also meine Top 5 für einen großartigen Tag in Bochum:
In den Tag starten im KRTLND
Richtig guten Kaffee ohne Schnickschnack gibt es in Bochum im KRTLND. Seit Dezember 2017 nennen Markus und Saŝa den Mini-Laden im Kortländer Kiez ihr Eigen. Wo früher Haare bei „Lolas Papa“ geschnitten wurden, hat der Gast heute nur wenig Auswahl – und das ist gut so. Oft gibt es neben Kaffee, Saft und Tee gerade mal ein Stück Kuchen oder ein Sandwich. Aber auch darauf ist kein Verlass.
Wer hier hingeht kann sich allerdings sicher sein, zum Kaffee eine lustige Geschichte aus Saŝas Leben serviert zu bekommen. Musikwünsche nimmt er nur entgegen, wenn sie mit Radiohead, Green Day oder Placebo kompatibel sind. Stammgäste schätzen es, ihre eigene Tasse im KRTLND deponieren zu können. First Timer, die ungläubig den kargen Raum betreten, sind hellauf begeistert, wenn sie den ersten Schluck ihres Kaffees aus Bohnen der Rösterei NEUES SCHWARZ genommen haben.
Neben einigen Überbleibseln aus Friseursalon-Zeiten, wie einem Waschbecken inmitten des Raumes, ist der kleine Laden super reduziert eingerichtet. Dunkle Wände und Decke, simple Tische und ein paar puristische Leuchten – das war’s auch schon. Nicht einmal ein Logo hat das Café außen angebracht. Das KRTLND konzentriert sich eben auf’s Wesentliche. Bestellen könnt ihr hier zum Beispiel Espresso, Americano, Cappuccino, Flat White, Latte oder Cold Brew.
Hier findet Ihr den POTTSPOTT–Blogpost zum KRTLND.
KRTLND, Herner Str. 10, 44787 Bochum
Spazieren gehen auf dem Friedhof am Schloß Weitmar
Morbide, etwa usselig und bald wohl Geschichte: Der Friedhof an der Schloßstraße in Weitmar ist eine meiner liebsten Grünanlagen der Stadt, soll aber bald einem Neubaugebiet weichen. So sieht es ein Bebauungsplan vor. Das wäre schade, denn neben dem perfekt auf dem Reißbrett gezirkelten Schloßpark in unmittelbarer Nähe bildet der nur noch teilweise genutzte Friedhof den perfekten Kontrast. Ich mag den Charme des Vergänglichen hier sehr.
Auf dem Friedhof sind die meisten Gräber echt ungepflegt. Die Natur erobert sich hier Stück für Stück das künstlich angelegte Areal zurück. Wer hier abends ist, kann Fledermäuse und Rehe beobachten, tagsüber hört und sieht man zig unterschiedliche Vogelarten wie Grün- und Buntspecht, Kohlmeise oder Rotkehlchen. Selbst ein Bussardpaar soll hier in einer Kiefer an der alten Trauerhalle regelmäßig brüten.
Wem alte Friedhöfe zu spooky sind, der geht im benachbarten Schloßpark spazieren. Hier wurde in den vergangenen zehn Jahren ordentlich investiert. In der Ruine des Hauses Weitmar befindet sich daher mittlerweile ein Glaskubus; unter dem Park ist ein Museum angelegt worden. Geht man um das Haus Weitmar herum, erblickt man ein paar Mauerreste einer Kapelle. Ein insgesamt sehr abwechslungsreiches Areal. Ach so, einen neu angelegten Spielplatz gibt es auch noch! ☺
Alter Friedhof, Schloßstr. 96, 44795 Bochum
Nachmittags ein Eis essen im I AM LOVE
Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster: Das beste Eis im Ruhrgebiet gibt es beim I AM LOVE in Bochum. Natürlich ist der Laden kein Geheimtipp, aber leider können alle anderen Eisdielen, die ich die letzten Jahre getestet habe, nicht mithalten. Zumindest, wenn man nicht auf die Klassiker steht, sondern offen für Cashew-, Milchreis-Zimt- oder Kürbiskern-Eis ist. denn dann gibt es keinen Weg am I AM LOVE vorbei!
Die Erfolgsgeschichte von Gründer und Geschäftsführer Kevin Kuhn nahm mit dem Café im Bochumer Ehrenfeld ihren Anfang. Mittlerweile ist das I AM LOVE nicht nur in Witten und Essen vertreten, sondern auch in Düsseldorf. Wer sich über den Namen, die Einrichtung und die zahlreichen Accessoires sowie Sinnsprüche wundert, tut dies eigentlich auch nur so lange, bis er den Inhaber mal kennengelernt hat. Der ehemalige Philosophie-Student hat nicht nur ein kleines Eis-Imperium geschaffen, sondern ist auch Dru-Yogalehrer. So lebt er mit seinen Läden eben genau das, was ihn glücklich macht.
Uns macht er nicht nur mit kreativen Eiskreationen glücklich, von denen eine ganze Reihe auch vegan ist, sondern auch mit frischem Kaffee, herzhaften Panini, hausgemachtem Chili sin Carne und richtig guten Dinkelwaffeln. Getoppt mit Milchreis-Zimt-Eis sind die Waffeln eine komplette Mahlzeit. Wer will, kann sich das I AM LOVE auch auf seine Garten-Party bestellen oder den mobilen Eiswagen für seine Hochzeit ordern. Kostenpunkt: Ab € 460,00 inkl. Servicepersonal.
I AM LOVE, Dibergstr. 2, 44789 Bochum
Mitbringsel kaufen in der Kulturtasche
Zugegeben, den kleinen Concept Store Kulturtasche hatte ich jahrelang so gar nicht auf dem Schirm. Ein großer Fehler von mir. Denn wenn man ein Geschenk für einen lieben Freund sucht oder sich selbst etwas Gutes tun will, sollte man den Laden von Susanne Töller auf keinen Fall außen vorlassen.
Die gelernte PTA verkauft im Ehrenfeld Seifen, Deos, Kosmetik, Lakritz und Bartpflege. Klar, das gibt es alles auch im Internet und ist jetzt auch nicht das Allererste, an das man denkt, wenn man ein Mitbringsel aus Bochum sucht. Aaaber, und das macht den Laden für mich so empfehlenswert, Susanne hat wirklich Ahnung von dem, was sie da verkauft. Die 54-jährige berät freundlich, kompetent und herrlich unaufdringlich. In der Kulturtasche kann man in Ruhe stöbern, und wenn nicht gerade Corona ist auch an Seifen riechen und Lakritz von Bülow probieren. Dazu läuft entspannte Musik. Dem Einkaufen mit allen Sinnen steht nichts im Wege.
Die Kulturtasche ist noch dazu wunderschön eingerichtet mit einem alten Apothekerschrank, einem Klavier, an dem Susanne selbst als Kind gespielt hat und Dank der breiten Fensterfront wirkt der Raum angenehm hell und luftig. Susanne führt bekannte und weniger bekannte Kosmetikmarken, hat die allermeisten Produkte selbst getestet und kann auf eure Wünsche eingehen. Was ihr wichtig ist: Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und der Verzicht auf Paraffine, Silikone oder Parabene.
Die Kulturtasche, Alte Hattinger Str. 11, 44789 Bochum
Es gibt eine uralte Statistik, wonach besonders an der Ruhr-Universität einige Studierende Selbstmord begehen würden – angeblich, weil alles so trostlos und hässlich ist. Naja, natürlich ziemlicher Quark. Ich selbst habe in meiner Zeit dort so viele schöne Ausblicke ins Ruhrtal und die unglaubliche Weite genossen, dass die RUB für mich eher therapeutische Zwecke hatte als mich auf dumme Ideen zu bringen.
Daher wird es nicht verwundern, dass ich die Uni in Querenburg und den angeschlossenen Botanischen Garten als einen meiner Lieblings-Spots vorstelle. Hierhin schleppe ich auch regelmäßig Gäste von außerhalb. Denn für mich gibt es in Bochum kaum einen anderen Ort, der kontrastreicher und interessanter ist als die Uni. Zum einen ist da ihre schiere Größe. Wer einmal von Gebäude ID zu Gebäude GD gelaufen ist, hat seine Schrittzahl für den Tag auch voll. Dabei durchläuft er mehrere Jahrzehnte Baugeschichte, kann sich in Brutalismus bilden und dem unvergleichlichen Sound der Waschbetonplatten lauschen, die unter seinen Füßen hin und her kippeln.
Wer das Abenteuer will, begibt sich einfach mal in einen der Altbauten und sucht Raum GAFO 04/252, ohne sich vorher detailliert mit dem Wegesystem der Uni auseinandergesetzt zu haben. Aktuell dürfte das besonders gespenstisch sein, da durch Corona ja kaum jemand auf dem riesigen Gelände unterwegs ist. Leider sind pandemiebedingt aktuell auch noch das Wüsten- und Tropenhaus des Botanischen Gartens unterhalb der N-Reihe dicht, aber der Chinesische Garten hat geöffnet. Unbedingt angucken, der Eintritt ist kostenfrei.
Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44801 Bochum
Text und Fotos: Julius von Ruhrwohl